Krieg in Europa: Seit wenigen Monaten ist dies wieder traurige Realität. Militärische Auseinandersetzungen finden dabei nicht nur zu Lande und in der Luft, sondern zunehmend auch auf dem Wasser statt – mit weitreichenden Folgen: „Der Krieg ist ein erneuter schwerer Schlag für die internationale Schifffahrt, für Logistikketten und Häfen. Im Schwarzen Meer sitzen zahlreiche Schiffe fest – ungewiss, wann sie ihre Reise gefahrlos fortsetzen können. Teile des Seegebiets sind vermint, die Hafenstadt Mariupol zerstört, zuletzt war auch Odessa wieder Ziel massiver russischer Angriffe“, sagte Bernd Aufderheide, CEO der Hamburg Messe und Congress, auf der Voraus-Pressekonferenz zur SMM. Die 30. Auflage der Weltleitmesse der Maritimen Wirtschaft begrüßt vom 6. bis 9. September wieder das Who’s-who der maritimen Welt in Hamburg. Um verteidigungspolitische Fragen und die Ausrüstung der Marinestreitkräfte geht es auf der internationalen Konferenz für maritime Sicherheit und Verteidigung MS&D, die im Rahmen der SMM stattfindet. Auf der Messe selbst präsentieren zahlreiche Aussteller aus der Schiffbau- und Zulieferbranche sicherheitsrelevante Innovationen.
Wie die aktuelle Lage zeigt, ist der globale Seehandel zunehmenden Risiken ausgesetzt. Mit dem Schutz der Seewege für die internationale Handelsschifffahrt wird sich Dr. Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, in seiner Keynote zu Beginn des MS&D befassen. General a.D. Egon Ramms, früherer Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command und damit einer der ranghöchsten deutschen Soldaten in der NATO, skizziert, welche politischen und militärischen Lehren bisher aus dem Russland-Ukraine-Krieg zu ziehen sind.
Die Ukraine und die Häfen am Schwarzen Meer sind beileibe nicht der einzige politische Brennpunkt in der Welt. Das unterstreicht das Leitmotiv des MS&D: „Protecting the Seven Seas“. Weltweit reagieren viele Staaten auf die neue Sicherheitslage mit einer massiven Erhöhung ihrer Verteidigungsanstrengungen.
Aufrüsten in Fernost
Eines der Panels der diesjährigen MS&D widmet sich der maritimen Sicherheit in der Indopazifik-Region. Dort gilt das konfliktarme Zusammenspiel der Staaten als große Herausforderung. So erhöht die chinesische Staatsführung die Militärausgaben kontinuierlich stärker, als die Wirtschaft wächst. 2021 lagen die Ausgaben bei rund 293 Milliarden US-Dollar. Bis 2049 will sich China so an den USA vorbei auf Platz 1 rüsten. Auf dem Wasser ist die Volksrepublik bereits führend: „China hat zwischen 2014 und 2018 seiner bereits beachtlichen Seestreitmacht Marineschiffe im Umfang der Gesamttonnage der britischen Royal Navy beziehungsweise der gesamten japanischen Marineflotte hinzugefügt“, sagt Dr. Sarah Kirchberger, Leiterin der Abteilung Strategische Entwicklung in Asien-Pazifik am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. „Eine Politik der Flottenrüstung, die historisch fast beispiellos ist.“ Kirchberger wird in ihrem Vortrag über die Ziele und Möglichkeiten der chinesischen Marine sprechen.
Die massiven Investitionen Chinas in das Militär lassen Sorgen bei den Nachbarländern wachsen – und damit ihren Zusammenhalt untereinander. So haben etwa Australien und Japan bereits 2007 eine Sicherheitskooperation vereinbart. Gemeinsame Übungen der Japan Maritime Self-Defense Force und der Royal Australian Navy haben ihre Beziehungen intensiviert. Damit wolle man Frieden und Stabilität in der indopazifischen Region ebnen, so das japanische Außenministerium. Dass die Deutsche Marine in der Lage wäre, zur Sicherung wichtiger Schifffahrtsrouten auch mit den Marinen Ostasiens zusammenzuarbeiten, zeigte jüngst die Fregatte „Bayern“ mit ihrer Teilnahme an einem Großmanöver der japanischen Marine. Wie sich der Partner in Fernost neu aufstellt, erläutert Kapitän zur See a. D. Joachim Gutow bei der MS&D.
Strategische Kompetenz
Neben Wissenschaftlern und Experten aus der Industrie kommen auf der Konferenz auch zahlreiche hochrangige Marine-Offiziere zu Wort. So spricht Vize-Admiral Ahmed Khaled Hassan Said, Oberbefehlshaber der ägyptischen Marine über die Sicherheitslage im östlichen Mittelmeer. Konteradmiral Henning Faltin vom NATO COE CSW erklärt, wie wichtig der Schutz von militärischen Einrichtungen in Küstenregionen ist. Die Rolle des German Maritime Forces Staff für die Sicherung der Ostsee erläutert Konteradmiral Stephan Haisch von der Deutschen Marine – ein Thema, das durch die aggressive Haltung Russlands stark in den Fokus gerückt ist.
Technologischer Fortschritt
Als Berater für das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel kennt sich Patrick O’Keeffe gut mit der politischen Sicherheitslage in der Welt aus. In seinem Vortrag wird sich der Luft- und Raumfahrttechniker auf den Aspekt der Cybersecurity bei Marine-Operationen fokussieren.Um Hightech geht auch bei thyssenkrupp Marine Systems (tkMS). Das auf Marineschiffbau spezialisierte Unternehmen befasst sich aktuell mit dem „explosiven Erbe“ des Zweiten Weltkrieges. Noch immer liegen auf dem Meeresgrund unzählige Munitionsreste. Allein in deutschen Hoheitsgewässern sind es schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen. „Wir haben nur noch wenige Jahre, bis ein Großteil der Munition durchgerostet ist“, sagt tkMS-Manager Knut Baumann. In seinem Vortrag stellt er das zum Teil autonom agierende Bergungssystem vor, mit dem man die tickenden Zeitbomben entsorgen will.
Unbemannte Systeme spielen auch im zweiten Panel eine zentrale Rolle: Ares Shipyard etwa hat ein autonomes bewaffnetes Überwasserfahrzeug (USV) entwickelt. Auf der SMM wird die türkische Werft die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten des 70 km/h schnellen „ULAQ“ vorstellen.
Welche grünen Treibstoffe für Marineschiffe eine Rolle spielen könnten, erläutert schließlich Andreas Junginger von MAN Energy Solutions – und schlägt damit den Bogen zum Schlüsselthema der „zivilen“ SMM: der „maritime transition“ in eine emissionsfreie Schifffahrt.
Die MS&D findet auch in diesem Jahr wieder in Zusammenarbeit mit den Experten des Fachmagazins „NAVAL FORCES“ statt.