Erneuerbare Energien stehen hoch im Kurs: Bis zum Jahr 2045 will die Bundesregierung die Kapazität der Offshore-Windenergie fast verzehnfachen. Auf 70 Gigawatt sollen Windparks in Nord- und Ostsee dann kommen. Die Europäische Kommission plant bis 2050 sogar mit 340 GW. Der Bau der Anlagen ist eine technische, logistische sowie finanzielle Herkules-Aufgabe – und dringend notwendig. Zum einen, um unabhängig vom russischen Gas zu werden, zum anderen, um die Emissionen drastisch zu reduzieren.
Auch die Schifffahrt ist auf ihrem Weg in die Klimaneutralität auf die stählernen Giganten angewiesen: „Der massive Ausbau von Windenergie an Land und auf See ist Voraussetzung für die Produktion alternativer Kraftstoffe für die Schifffahrt“, sagt Claus Ulrich Selbach, Geschäftsbereichsleiter Maritime und Technologiemessen bei der Hamburg Messe und Congress. „Ob Methanol oder Ammoniak: Wirklich nachhaltig sind die synthetischen Kraftstoffe nur auf Basis von ‚grünem‘ Wasserstoff, also wenn sie aus erneuerbaren Energien gewonnen werden.“
Die riesige Herausforderung dabei: Die Offshore-Windenergieanlagen sollen 30 bis 40 Kilometer vor den Küsten entstehen – verankert in einer Tiefe von bis zu 40 Metern. Lässt sich das überhaupt realisieren, ohne dem sensiblen Ökosystem zu schaden? Unter anderem darüber diskutiert eine hochkarätige Experten-Runde auf dem Offshore Dialogue (OD). Die internationale Konferenz findet am 8. September im Rahmen der SMM statt.
Daten sind Macht
Die Meere sind ein gefährdeter Lebensraum. Die UN ergreift hier mit der sogenannten „Ozean Dekade“ die Initiative: Bis 2030 sollen länderübergreifend Lösungen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Meere umgesetzt werden. „Der Ozean ist von enormer Bedeutung für uns auf der Erde, denn er reguliert das Klima und bremst die globale Erwärmung durch die menschengemachten Treibhausgasemissionen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozeane und Küstenregionen sind gravierend und wir müssen dringend handeln, um die Situation in den Meeren zu verbessern“, sagt Dr. Steffen Knodt, Vorstandsmitglied des Ozeandekaden Komitee (ODK). Auf dem OD gibt Knodt einen Überblick über die nationalen und internationalen Aktivitäten des Komitees.
Sicher und schnell
Besonders wichtig für die Klimaforschung sind Erkenntnisse aus Regionen, die besonders stark unter dem Klimawandel leiden. Die Arktis etwa erwärmt sich dreimal so schnell wie der Durchschnitt der Welt. Um an solche Daten zu kommen, müssen die Forscher sich mit speziellen Schiffen durch die dicken Eisschichten kämpfen. Lasse Rabenstein und sein Start-Up Drift + Noise helfen den Expeditionsteams dabei. Auf dem OD präsentiert der Co-Gründer „IcySea“, eine Eis-Informationsapp. „Wir stellen unseren Kunden rund um die Uhr hochauflösende Satellitenbilder der Polarregionen zur Verfügung. Und sie können mit minimaler Bandbreite empfangen werden. Zum Leistungsspektrum gehört auch ein Vorhersagesystem für die bestmögliche Route durch das Eis“, so Rabenstein. Der promovierte Geophysiker hat selbst mehr als 15 Jahre operative Erfahrung in den Polarregionen. Mit seiner App hat das Start-up auch schon die Besatzung des AWI-Forschungsschiffs „Polarstern“ unterstützt. „Dank der Satellitenbilder konnten wir in der Eisdecke offene Wasserkanäle ausmachen und so eine Fahrt, die sonst vier Tage dauert, auf zwei verkürzen." Bei täglichen Betriebskosten in Höhe von 70.000 Euro eine erhebliche Einsparung, die für die kommerzielle Schifffahrt interessant sein dürfte. Auf dem Offshore Dialogue spricht Rabenstein über die Zunahme der eisfreien Tage in der Arktis – weswegen künftig wohl mehr Schiffe die Nordwestpassage nutzen werden.
Energie aus dem Meer
Fischer, Forscher, Handels- und Kreuzfahrtschiffe: Vor den Küsten ist viel los. Mit den Offshore-Windparks mischt ein stark wachsendes Element mit. Einer der größten Betreiber der Welt mit 2,4 GW Offshore-Windkraftanlagen ist der deutsche Energiekonzern RWE. „Wir würden gerne viel schneller investieren“, aber Förderanträge würden „zu lange liegen“, moniert RWE-Chef Markus Krebber. Deutschland habe, anders als die Niederlande, kein klares Ziel für die Wasserstoff-Industrie. Wie sich der Konzern die Energieerzeugung der Zukunft vorstellt, skizziert Dr.-Ing. Bernadette Zipfel, Team Lead Engineering Management Future Technologies.
Ausgiebig dazu geforscht hat Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt von der Technischen Universität Hamburg (TUHH). „Offshore-Windenergie gewinnt immer mehr an Bedeutung. Mittelfristig gilt dies wohl auch für eine Offshore-Wasserstofferzeugung, um die weit vor der Küste erzeugte elektrische Energie möglichst effizient an Land zu transportieren und verfügbar zu haben.“ Was er hier für sinnvoll hält, erläutert der Experte auf dem Offshore Dialogue.
Ein großes Thema ist dabei auch die Form der Energiespeicherung. Dr. Walter Kuehnlein, Berater und Gründer des Start-Ups terra.blue, zeigt in seinem Vortrag verschiedene Optionen auf. Kuehnlein führt in diesem Jahr gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Sören Ehlers von der Gesellschaft für Maritime Technik (GMT) durch den Offshore Dialogue.
„Ich freue mich, so viele kluge Köpfe auf der Konferenz zu begrüßen. Wir legen bei der SMM erstmals einen besonderen Fokus auf das Thema Wasserstoff. Mit der anschließenden WindEnergy Hamburg und der H2 EXPO & CONFERENCE wollen wir Hamburg zur internationalen Hauptstadt der Wasserstoffwirtschaft machen“, sagt Claus Ulrich Selbach. Die beiden Events finden vom 27. bis 30. September 2022 statt.
Das vollständige Programm des Offshore Dialogue finden Interessierte hier.